Seit 9. April 2022 ist es in der Europäischen Union (EU) verboten, Aufträge und Konzessionen im Oberschwellenbereich an russische Unternehmen zu vergeben. Außerdem gilt seit 10. Oktober 2022 ein Erfüllungsverbot bestehender Verträge. Diese Verbote sind in der EU-Sanktionen Verordnung verankert und gelten unmittelbar für österreichische Auftraggeber.

In bestimmten Fällen räumte die EU den nationalen Behörden die Möglichkeit ein, die Vergabe oder die Fortsetzung der Erfüllung von Verträgen zu genehmigen. Die Justizministerin hat dazu am 8. Oktober 2022 eine Verordnung erlassen, in dem sie alle von der EU vorgesehenen Fälle genehmigt und verordnet, wie die Auftraggeber vorgehen müssen.

Welche Vergaben an russischen Unternehmen wurden genehmigt?

Aufträge oder Konzessionsverträge an sanktionierte Personen gelten ausschließlich dann als genehmigt, sofern sie bestimmt sind für

Außerdem kann die Erfüllung solche Aufträge und Konzessionsverträge auch nach dem 9. Oktober 2022 fortgesetzt werden. Andere Verbote oder erforderliche Genehmigungen werden dadurch nicht berührt.

Wie kommen Auftraggeber zur Genehmigung?

Da die Vergaben per Verordnung genehmigt wurden, müssen Auftraggeber keine gesonderte Genehmigung beantragen. Sie sind aber verpflichtet, die Inanspruchnahme einer Genehmigung binnen 14 Tagen der Justizministerin schriftlich anzuzeigen. Diese Anzeige muss an die E-Mail-Adresse vergaberecht@bmj.gv.at gerichtet werden. Die Inanspruchnahme der Genehmigung muss außerdem im Vergabevermerk bzw. in der Dokumentation dokumentiert werden.

Öffentliche Auftraggeber in Österreich haben die Möglichkeit, mit Auftraggebern, die ihren Sitz im EU/EWR Raum haben, eine gemeinsame Auftragsvergabe durchzuführen. Durch die Bündelung ihrer Nachfrage können sie von Preissenkungen oder Mengenvorteilen profitieren. Gemeinsame Beschaffungen nehmen viele Formen an, zum Beispiel durch die koordinierte gleiche Ausgestaltung zweier getrennter Verfahren, durch die Durchführung eines einzigen Verfahrens für alle Auftraggeber oder durch die Beschaffung über eine zentrale Beschaffungsstelle. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, welche nationalen Regelungen anwendbar sind und wie sich die Kooperation unter den Vergabepartnern gestaltet.

Gemeinsame grenzüberschreitende Beschaffung

Soll ein einziges koordiniertes Beschaffungsverfahren für alle Auftraggeber durchgeführt werden, so müssen diese eine schriftliche Vereinbarung abschließen, in der sie zumindest festlegen:

Damit wird ermöglicht, dass zum Beispiel ein Auftraggeber die Rahmenvereinbarung für alle Partner nach österreichischem Vergaberecht abschließt, die Abrufe aber von den einzelnen Partnern eigenverantwortlich nach ihren jeweiligen Rechtsordnungen erfolgen.

Die Verteilung der Zuständigkeiten und die jeweils anwendbaren nationalen Regelungen sind zusätzlich in der Ausschreibung bekannt zu geben.

Beschaffung über eine zentrale Beschaffungsstelle

Soll die Beschaffung durch eine zentrale Beschaffungsstelle mit Sitz in einem anderen EU/EWR Mitgliedstaat durchgeführt werden, unterliegen folgende Angelegenheiten automatisch den Gesetzen des Staates, in dem die Beschaffungsstelle ihren Sitz hat:

Gemeinsame Gründung eines Rechtsträgers

Öffentliche Auftraggeber können zudem grenzüberschreitend einen Rechtsträger, eine „Tochter“ gründen. Dabei müssen sie insbesondere vereinbaren, welche nationalen Vergaberegelungen auf den Rechtsträger anwendbar sein werden. Sie können wählen, ob die Vergaberegelungen des Sitzstaates des Rechtsträgers oder die Vergaberegelungen jenes Mitgliedstaates anwendbar sind, in dem der Rechtsträger seine Tätigkeiten entfaltet. So eine Vereinbarung kann entweder unbefristet gelten oder auf einen bestimmten Zeitraum, auf bestimmte Arten von Aufträgen oder auf die Durchführung eines oder mehrerer Vergabeverfahren beschränkt werden.

Innerhalb der Europäischen Union (EU) können Unternehmer EU-weit an Vergabeverfahren teilnehmen und so am gesamten europäischen Markt öffentliche Ausschreibungen gewinnen.

Darüber hinaus wollte die EU ihren Unternehmen den Zugang zum internationalen Markt eröffnen. Dafür hat sie mehrere internationale Abkommen geschlossen, wobei das wichtigste das WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) ist. Die Europäische Kommission orientiert sich zum Beispiel bei den von ihr festgelegten EU-weiten Schwellenwerten an jenen des GPA.

Das WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA)

Es handelt sich um ein internationales Abkommen zwischen einzelnen Staaten der Welthandelsorganisation (WTO), das den Zugang zu öffentlichen Aufträgen regelt und den Beschaffungsmarkt liberalisieren soll. Die EU ist dem GPA im Jahr 1996 beigetreten, damit ist auch Österreich Mitglied des Übereinkommens. Das eröffnete österreichischen Unternehmen die Möglichkeit, auch außerhalb der EU öffentliche Aufträge zu erhalten.

Derzeit sind neben der EU und ihren 27 Mitgliedstaaten folgende Staaten Mitglieder des Übereinkommens:

Diese Staaten haben sich dazu verpflichtet, bei bestimmten Ausschreibungen die Teilnahme von Unternehmen anderer Mitgliedstaaten zu ermöglichen. Damit können österreichische Unternehmen zum Beispiel an Vergabeverfahren in der Schweiz teilnehmen.

Die Mitgliedstaaten haben in den jeweiligen Anhängen festgelegt, welche Auftragsarten ab welchem Schwellenwert ausländischen Unternehmen offenstehen. Über das e-GPA Portal kommt man zu den jeweiligen Bekanntmachungsmedien der Vertragsstaaten und erhält einen Überblick darüber, welche Leistungsarten ab welchen Schwellenwert internationalen Bewerbern offenstehen.

Das GPA bestimmt das Verfahren und die Regeln für die Ausschreibung, die alle Vertragsstaaten bei solchen Ausschreibungen einhalten müssen. Dabei gelten insbesondere die Prinzipien des fairen Wettbewerbs, der Diskriminierungsfreiheit und der Transparenz.

Tipp: Mit dem EU-Projekt „Access2Procurement“ können Unternehmen künftig herausfinden, ob sie an einer konkreten internationalen Ausschreibung teilnehmen dürfen. Da sich das Programm noch in der Pilotphase befindet, funktioniert die Seite derzeit eingeschränkt. Kanada soll bereits voll in das System eingebunden sein.

Österreichische Unternehmen können an jeder öffentlichen Ausschreibung in jedem beliebigen EU-Staat teilnehmen. Dafür können ihnen einige Tools der EU behilflich sein und das Verfahren für sie erleichtern.

Generell sollten sich Unternehmen bei Ausschreibungen in einem anderen EU-Mitgliedstaat ihrer Rechte bewusst sein:

Bekanntmachungen im europäischen Amtsblatt

Auftraggeber müssen Ausschreibungen im Oberschwellenbereich europaweit bekannt machen. Das erfolgt im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union (Amtsblatt S oder ABl. S). Online können die EU-weiten Ausschreibungen im Tenders Electronic Daily (TED) eingesehen werden. Beschaffungsstellen veröffentlichen im TED-Portal auch Vorabinformationen, um Unternehmen über anstehende Vergabeverfahren zu informieren.

Tipp: Auf auftrag.at finden Unternehmer alle Ausschreibungen, die digital in Österreich und/oder EU-weit veröffentlicht werden.

Einheitliche Europäische Eigenerklärung

Im Oberschwellenbereich können Bieter ihre Eignung sowie die Erfüllung der Auswahlkriterien vorläufig mit der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung belegen. Öffentliche Auftraggeber müssen diese Eigenerklärung akzeptieren, können aber jederzeit die notwendigen Nachweise verlangen, sofern es für die Durchführung des Verfahrens notwendig ist. Die Nachweise müssen jedenfalls vor Zuschlag angefordert werden.

e-Certis: Informationen über die notwendigen Dokumente in der EU

Die Database e-Certis informiert Unternehmen und Auftraggeber über die jeweiligen Bescheinigungen, Kriterien und ausstellenden Behörden in anderen Mitgliedstaaten.
Man erfährt auch, welche Gebühren anfallen und teilweise, ob Unternehmer oder (auch) die ausschreibenden Stellen einen Nachweis abfragen kann. Zusätzlich zu den EU-Mitgliedstaaten wurden Island, Liechtenstein und Norwegen in das System integriert.

Die amerikanische Vergabekontrollbehörde GOA hat entschieden: Das Vorgehen der NASA, den Auftrag nur an ein Raumfahrtunternehmen, nämlich an SpaceX von Elon Musk, zu vergeben, war vergaberechtskonform. Der Nachprüfungsantrag von Jeff Bezos wurde abgewiesen. Damit gibt sich Jeff Bezos aber nicht zufrieden und klagt weiter.

Rechtlicher Kontext

Das Raumfahrtunternehmen Blue Origin von Jeff Bezos brachte einen Nachprüfungsantrag gegen die NASA ein, weil diese den Auftrag zum Bau einer Mondrakete nur an SpaceX vergeben wollte. (Siehe dazu den früheren Bericht)

Während dem anhängigen Verfahren, machte Jeff Bezos – erfolglos – der NASA ein Angebot über die Übernahme von weiteren 2 Milliarden Dollar, um bei dem Auftrag weiter berücksichtigt zu werden. Die NASA reagierte darauf nicht.

Nun entschied das GOA und wies den Nachprüfungsantrag von Blue Origin ab. Die NASA habe nicht gegen die Ausschreibungsbedingungen verstoßen und „nicht unsachgemäß gehandelt“, in dem sie den Auftrag nur an ein Unternehmen, nämlich den Billigstbieter, vergeben habe.

Jeff Bezos geht nun weiter: Er hat eine weitere Klage gegen die NASA eingebracht, weil es „grundlegende Probleme“ mit dem Vertrag gebe und dieser „unfair“ sei. Jeff Bezos ist nach wie vor der Meinung, dass ein Unternehmen allein den Auftrag nicht stemmen könne und es jedenfalls zwei Unternehmer für die erfolgreiche Mondmission im Jahr 2024 benötige.

Die NASA hat nun – mit Rückendeckung der Entscheidung des GOA – bis 12. Oktober Zeit, auf die Klage zu antworten. SpaceX hat sich zur Klage noch nicht geäußert.

Es bleibt also spannend, welcher Milliardär das Wettrennen zum Mond gewinnen wird. Wir halten Sie – wie gewohnt – am Laufenden!