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Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung: Der VwGH zu Prototypen für F&E

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Beim Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung laden Auftraggeber:innen eine beschränkte Anzahl von geeigneten Unternehmen zur Angebotsabgabe ein. Mit ihnen können sie über den gesamten Auftragsinhalt verhandeln. Dieses Verfahren ist jedoch nur in bestimmten, gesetzlich vorgesehenen Ausnahmefällen zulässig, die restriktiv angewandt werden.

Eine Klarstellung des VwGH für den Forschungsbereich

Ein Ausnahmefall, in dem das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung zulässig ist, ist die Beschaffung von Waren, die

  • ausschließlich
  • zu Forschungs-, Versuchs-, Untersuchungs- oder Entwicklungszwecken
  • hergestellt werden.

Dabei darf der Lieferauftrag keine Serienfertigung zum Nachweis der Marktfähigkeit der Ware oder zur Deckung der Forschungs- und Entwicklungskosten umfassen.

Dieser Ausnahmefall hat den Hintergrund, dass bei Forschungsarbeiten oft mit besonders vertraulichen Daten gearbeitet wird. Dem soll ein Vergabeverfahren, bei dem die Beschaffung nicht öffentlich bekannt gemacht wird und über deren Inhalt verhandelt werden kann, Rechnung tragen. Der Gesetzgeber hatte hier die Lieferung von Prototypen oder limitierte Testserien im Sinne. Bereits fertig entwickelte/getestete Produkte sollen daher nicht darunterfallen. Das auch dann nicht, wenn sie von Forschungsinstituten für ihre Forschungstätigkeit verwendet werden.

In diesem Sinne reicht es für den Verwaltungsgerichthof (VwGH Ra 2020/04/0027) nicht aus, wenn eine zu beschaffende Ware als Pilotprojekt oder für Forschungszwecke bloß eingesetzt werden soll.

Vielmehr sei anhand des Inhalts des Auftrags auch zu prüfen, ob die Ware aufgrund der Spezifikationen nicht auch von anderen Anbieter:innen am Markt erbracht werden könnte, etwa weil die entsprechenden Vorgaben in dem Auftrag bereits vom Auftraggeber detailliert festgeschrieben sind. Für den VwGH muss die zu liefernde Ware selbst den Charakter eines Forschungsobjekts aufweisen. Dass ein angeschafftes Gerät im Rahmen von Forschungsarbeit eingesetzt werden soll und aus diesem Grund Forschungszwecken dient, macht den Lieferauftrag alleine noch nicht zu einem, dessen eigener Gegenstand ein Forschungsobjekt bildet.