der auftrag.at-Blog

zurück zur Übersicht

Die Würfel sind gefallen – Relevante Gerichtsentscheidungen für Bieter

2 Minuten Lesezeit

ÖNORMEN, früheres Fehlverhalten des Bieters oder der herangezogenen Subunternehmen können bei der Teilnahme an Ausschreibungen zu Stolpersteinen werden. Um im Einklang mit der neuesten Judikatur zu handeln, gibt Ihnen dieser Beitrag einen Überblick über spannende Gerichtsentscheidungen im Vergabebereich.

Null-Positionen im Angebot

Der EuGH stellt klar: Ein Angebot kann nicht automatisch ausgeschieden werden, weil es Null-Positionen enthält. Der Auftraggeber hat vorher den Bieter aufzufordern, die Null-Position zu erklären. Kann der Bieter aufzeigen, dass sich die Null-Position nicht auf die ordnungsgemäße Ausführung des Auftrags auswirken, ist das Angebot nicht auszuscheiden. (Lesetipp: unser dazu passende Expertenbeitrag).

Das EuGH Urteil im Wortlaut

Aber Vorsicht: Preisverschiebungen (und daraus resultierende Null-Positionen) können den Ausschreibungsunterlagen widersprechen

Die Ausschreibungsunterlagen legten fest, dass die Kalkulation nach ÖNORM B 2061 (Preisermittlung für Bauleistungen) zu erfolgen hat. Der Bieter hat die Lohnkosten für Leistungen eines herangezogenen Subunternehmers unter dem Preisanteil „Sonstiges“ kalkuliert. Laut ÖNORM B 2061 sind die Lohnkosten von Dritten und somit auch von Subunternehmern nicht in den Preisanteil „Sonstiges“, sondern auch in Preisanteil „Lohn“ einzubeziehen. Das Angebot entsprach somit nicht den Ausschreibungsunterlagen und war somit auszuscheiden.

Entscheidung des BVwG 27.01.2020, W273 2226338-2 bestätigt von VwGH 04.05.2020 VwGH Ra 2020/04/0037

Fehlverhalten bei Altaufträgen

Bei einem laufenden Auftrag zog der Auftragnehmer ohne die erforderliche Zustimmung des Auftraggebers, einen weiteren Subunternehmer heran. Dieses Verhalten führte zu einer vorzeitigen Vertragsbeendigung. Fehlverhalten von Auftragnehmern bei Altaufträgen können zum Ausschluss bei einem späteren Vergabeverfahren führen.
Der Auftraggeber in einem neuen Vergabeverfahren ist aber nicht automatisch an die Beurteilung eines ehemaligen Auftraggebers gebunden. Jeder Auftraggeber muss im Sinne der Verhältnismäßigkeit selbst die Integrität und die Zuverlässigkeit des Bieters überprüfen. Außerdem muss dem Auftraggeber, dem ein Fehlverhalten unterlaufen ist, auch die Möglichkeit gegeben werden, Abhilfemaßnahmen zu nennen, damit ein solches Fehlverhalten nicht nochmal erfolgt (Lesetipp: Selbstreinigung im Detail in unserem Glossar).

Urteil des EuGH im Wortlaut

Auch das Verhalten der Subunternehmer kann Auswirkungen haben

Das BVergG 2018 sieht vor, dass Auftraggeber die Eignung aller im Angebot genannten Subunternehmer zu prüfen haben. Kann ein Subunternehmer seine Eignung nicht nachweisen, führt das nur bei „erforderlichen“ Subunternehmern (das sind Unternehmer, die für die Eignung des Bieters zwingend erforderlich sind) zum Ausscheiden des Angebots. Alle anderen Subunternehmer („nicht erforderliche“ Subunternehmer) muss der Auftraggeber mangels Eignung zwar ablehnen, das Angebot als solches ist aber nicht auszuscheiden.

Der Europäische Gerichtshof beschäftigte sich mit einer Regelung des italienischen Vergaberechts, wonach Bieter auszuscheiden sind, wenn ihre Subunternehmer (egal ob erforderlich oder nicht) einen Ausschlussgrund verwirklichen. Der EuGH bestätigte diese Regelung, weil diese mit den Vorgaben der Vergaberichtlinien übereinstimmen, wonach die EU-Mitgliedstaaten den Ausschluss auch bei der Verwirklichung von Ausschlussgründen bei Subunternehmern festlegen.

Auf die österreichische Rechtslage ist die Entscheidung des EuGH aber nicht eins zu eins umzulegen. Nach dem BVergG 2018 bewirkt daher nur ein Ausschluss eines erforderlichen Subunternehmers zu einem Ausschluss des Bieters. Nicht erforderliche Subunternehmer sind zwar abzulehnen, führen aber nicht zum Ausscheiden des Angebots.

Urteil des EuGH im Wortlaut

Geprüft von FSM Rechtsanwaltskanzlei