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Der feine Unterschied zwischen Stillhaltefrist und Anfechtungsfrist

2 Minuten Lesezeit

Das Vergabeverfahren neigt sich dem Ende zu und den Bietern wird die Zuschlagsentscheidung mitgeteilt. Diese Mitteilung löst zwei wichtige Fristen aus: Die Stillhaltefrist und die Frist zur Einbringung eines Nachprüfungsantrags. Erstere bindet den Auftraggeber und hindert ihn daran, den Zuschlag frühzeitig – vor Ablauf der Stillhaltefrist – zu erteilen. Zweitere bestimmt, wie lange Bieter die Zuschlagsentscheidung anfechten können.

Die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung

Die Zuschlagsentscheidung gibt lediglich die Absicht des Auftraggebers bekannt, den Zuschlag einem gewissen Bieter zu erteilen. Die vertragliche Bindung mit dem Auftragnehmer entsteht erst nach Ablauf der Stillhaltefrist, in der Regel mit Zuschlagserteilung. Die Zuschlagsentscheidung muss grundsätzlich allen im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern – das sind alle Bieter, die nicht rechtskräftig ausgeschieden wurden – mitgeteilt werden. Die Mitteilung muss folgenden Inhalt aufweisen:

  • das jeweilige Ende der Stillhaltefrist,
  • die Gründe für die Ablehnung des Angebotes der Bieter,
  • den Gesamtpreis sowie
  • die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes.

In Ausnahmefällen kann die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung entfallen, und zwar, wenn die Bekanntgabe dieser Informationen öffentlichen Interessen oder den berechtigten Geschäftsinteressen von Unternehmern widerspricht oder dem freien und lauteren Wettbewerb schaden würde.

Eine Verpflichtung zur Mitteilung der Zuschlagsentscheidung besteht u.a. auch dann nicht, wenn der Zuschlag dem der einzigen bzw. dem einzigen im Verfahren verbliebenen Bieter erteilt werden soll. In diesen Fällen gibt es keine Stillhaltefrist, der Zuschlag kann sofort erteilt werden.

Die in der Mitteilung bekanntzugebenden Informationen sollen Bieter in die Lage versetzen, einen begründeten Nachprüfungsantrag einbringen zu können. Eine mangelhafte Begründung kann zur Anfechtbarkeit der (rechtswidrigen) Zuschlagsentscheidung führen.

Die Anfechtungsfrist

Wollen Bieter gegen eine Zuschlagsentscheidung vorgehen, müssen sie die Anfechtungsfrist im Auge behalten: Die Zuschlagsentscheidung ist die letzte gesondert anfechtbare Entscheidung in einem Vergabeverfahren. Ihre Mitteilung löst eine Frist aus, innerhalb derer ein Nachprüfungsantrag an die Vergabekontrollinstanz gestellt werden kann. Die Anfechtungsfrist beträgt 10 Tage, wenn die Bereitstellung bzw. Übermittlung der Mitteilung elektronisch erfolgt ist und 15 Tage, wenn sie in sonstiger Form geschehen ist.

Der Nachprüfungsantrag hat keine aufschiebende Wirkung auf das laufende Vergabeverfahren. Das bedeutet, dass Auftraggeber das Verfahren weiterführen können, obwohl ein Nachprüfungsantrag eingebracht wurde. Wollen Antragsteller daher einen Fortgang des Verfahrens – und damit die Zuschlagserteilung – verhindern, müssen sie zusätzlich einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung einbringen.

Nach einer Entscheidung des EuGH und einem Teil der Lehre kann eine mangelhafte Begründung der Zuschlagsentscheidung Auswirkungen auf die Anfechtungsfrist haben. Demnach beginnt diese erst bei Kenntnis über alle für den Nachprüfungsantrag erforderlichen Entscheidungsgründe zu laufen, weil der Bieter erst zu diesem Zeitpunkt in der Lage ist, wirksam gegen die Entscheidung vorgehen zu können. Die Anfechtungsfrist kann in diesen Fällen somit über den Ablauf der Stillhaltefrist hinausgehen.

Nach der Ansicht des VwGH und der herrschenden Lehre liegt jedoch auch bei einer nicht ausreichenden Begründung eine wirksame Zuschlagsentscheidung vor, die als gesondert anfechtbare Entscheidung innerhalb der (normalen) Frist zu bekämpfen ist. Für das Vorliegen einer gültigen Zuschlagsentscheidung reicht es demnach aus, wenn eine nach außen ergangene Erklärung des Auftraggebers vorliegt, aus der ersichtlich ist, an welche Bieter der Zuschlag beabsichtigt ist. Läuft die 10- bzw. 15-tägige Frist ab Mitteilung der Zuschlagsentscheidung anfechtungslos ab, kann ein erteilter Zuschlag auch nicht mehr in einem Feststellungsverfahren für nichtig erklärt werden.

Verletzung der Stillhaltefrist: Absolute Nichtigkeit der Zuschlagserteilung

Die Stillhaltefrist ist die Zeit zwischen der Bereitstellung bzw. Übermittlung der Mitteilung der Zuschlagsentscheidung und der Zuschlagserteilung. Sie bindet Auftraggeber dahingehend, dass sie vor deren Ablauf den Zuschlag nicht erteilen dürfen, andernfalls die Zuschlagserteilung absolut nichtig ist. Die Frist beträgt – wie die Anfechtungsfrist – 10 bzw. 15 Tage.

Die Stillhaltefrist beginnt unabhängig davon zu laufen, ob die Zuschlagsentscheidung – etwa aufgrund einer mangelhaften Begründung – rechtswidrig ist oder nicht. Haben Auftraggeber das Ende der Stillhaltefrist irrtümlicherweise zu lange berechnet und die Frist den Bietern bekannt gegeben, sind sie an diese längere Frist gebunden.

Geprüft von FSM Rechtsanwaltskanzlei